MOHAMMED YUSSIF: GERETTET - ABGESCHOBEN - ERTRUNKEN

Mohammed Yussif war einer der 37 Geretteten von der "Cap Anamur". Im April 2006 starb er mit zwanzig weiteren Flüchtlingen bei einem erneuten Versuch nach Europa zu gelangen, als ihr Boot im Sturm vor Lampedusa kenterte.
(Aus dem Italienischen von Franco Jugert)

Am 10. September 2006 wäre Muhammed Yussif 29 Jahre alt geworden. Das Buch "Ende einer Rettungsfahrt" ist - stellvertretend für die vielen tausend Toten - seinem Andenken gewidmet.

Sizilien: Haftstrafe für Menschenretter - angeblicher "Widerstand gegen Kriegsschiff"

Das Gericht im sizilianischen Agrigento hat am 17. November nach viereinhalb Stunden Beratung die 7 tunesische Fischer zwar vom Vorwurf der Beihilfe zur illegalen Einreise freigesprochen, aber die beiden Kapitaene der „Morthada“ und der „Mohamed El Hedi“ wurden vom Gericht zu 2 Jahren und 6 Monaten Haft verurteilt, weil sie angeblich Widerstand gegen die Staatsgewalt und gegen eine Kriegsschiff leisteten.

Am 8. August 2007 hatten sie 44 Migranten aus Seenot gerettet, 2 Jahre Prozess wegen Beilhilfe zur illegalen Einreise folgten. Bei aufgewuehlter See versuchten die Küstenwache und der Zoll an jenem 8. August 2007 gefährliche Manoever, um die Fischer aufzuhalten, die die Migranten, unter ihnen zwei schwangere Frauen und ein behindertes Kind in schlechtem gesundheitlichen Zustand, nach Lampedusa bringen wollten. Die nötigen Ausweichmanöver seitens der Tunesier wurden ihnen nun als Widerstand gegen die Staatsgewalt und gegen ein Kriegsschiff ausgelegt. Das Gericht hatte sich nach der letzten Repilk der Staatsanwaltschaft viereinhalb Stunden zur Beratung zurueckgezogen. Gegen 20:30 verlas die vorsitzende Richterin Antonina Sabatino dann das Urteil. Die Verteidiger Leonardo Marino und Giacomo La Russa werteten es als Erfolg, dass der schwere Vorwurf der Beihife zur illegalen Einreise keine Beachtung fand. Sie kündigten jedoch auch an, in Berufung zu gehen. Naechste Gerichtsinstanz ist Palermo.


Apulischer Kapitän lässt Flüchtling ertrinken

ls Mohamed Ahmed Abdissalam seinen Bruder in Tripoli anrief antwortete dessen Mitbewohner Garane Ali. "Sanwa ist in der vergangenen Woche abgereist", sagte dieser ihm. Mohamed schwieg. Aus den Vereinigten Staaten, wo er lebte, rief er Sanwa alle zwei Wochen an. Sie hatten mit Geld geholfen, von Gaalkacyo in Somalia abzureisen und die Wueste zu durchqueren, um nach Libyen zu gelangen. Wenn er in Lampedusa war, warum hatte er es ihm dann noch nicht mitgeteilt? "Er ist tot", fuegte Garane nach einem Moment des Schweigens hinzu.

Er hatte es von einer Somalierin erfahren, die einige Tage zuvor aus Italien nach Libyen telefoniert hatte. Mohamed fragte nicht weiter. Er legte auf und eilte los, um ein Ticket nach Rom zu kaufen, sicher, seinen Bruder wieder zu finden. Sanwa verliess die libysche Kueste in der Nacht vom sechsten auf den siebten Januar 2008 auf einem Schlauchboot. Sie waren sechzig Personen, Somalier und Nigerianer. Die Frauen befanden sich in der Mitte des Bootes, um vor dem Spruehwasser des Meeres geschuetzt zu sein. Am selben Morgen, als das Schlauchboot aus den territorialen Gewaessern Libyens nach Norden aufbrach, lichtete das apulische Fischerboot Enza D den Anker im Hafen von Siracusa, um sich suedlich von Lampedusa auf Fischfang zu begeben. In der dritten Nacht auf See ging dem Schlauchboot das Dieseloel aus. Mit dem wenigen verbliebenen Treibstoff naeherte es sich einem Fischerboot, um Hilfe zu erbitten. Dies Fischerboot war die Enza D, die ganz in der Naehe im ersten Morgenlicht die Netze hievte. Laengsseits des Fischerboots stellte das Schlauchboot den Motor ab und die Passagiere riefen auf Englisch um Hilfe, wobei sie staendig das Wort "Diesel" wiederholten und den leeren Treibstoffkanister in der Luft schwenkten. Ploetzlich erhob sich einer von ihnen und klammerte sich mit letzter Kraft an der Bordwand fest.Einer der Seeleute eilte ihm zu Hilfe und hielt ihn mit beiden Haenden an der Jacke fest, bis es ihm gelang, den Mann an Bord zu ziehen. Inzwischen hatte der Kapitaen die Motoren angeworfen und entfernte sich von dem Schlauchboot, damit nicht Weitere an Bord kaemen. Der an Bord gehievte Mann war Sanwa. Er lag am Boden und bat mit schwacher Stimme um Hilfe, waehrend der Kapitaen Ruggiero Marino zwischen Kabine und Heck hin und her lief und fortwaehrend seine Leute anschrie: "Hier werden wir alle Aerger kriegen!" Wenige Minuten spaeter hoerten die Seeleute einen Aufklatsch im Wasser. Nach einigen verzweifelten Armschlaegen verschwand Sanwa fuer immer, vom Gewicht seiner durchnaessten Kleidung in die Tiefe gezogen. Die Seeleute wollten nicht glauben, was sie gerade gesehen hatten. Einige weinten wie Kinder, andere verbargen sich unter Deck. Keiner von ihnen war im Stande, den Kapitaen zu bremsen. Ruggiero liess sich erst nach einigen Stunden wieder blicken. Es galt, die Netze zu werfen. Der Fischfang ging weiter. Seitdem ist ein Jahr vergangen und Ruggieros Anwaelte haben das verkuerzte Verfahren beantragt. Alle Zeugenaussagen sind gegen ihn, die der Fluechtlinge sowie die der Seeleute. Die Anklage lautet auf vorsaetzliche Toetung, erschwert durch die Grausamkeit und unterlassene Hilfeleistung. Der Prozess begann am sechsten Februar 2009 vor dem Gericht von Agrigent. Der Staatsanwalt hat lebenslaenglich gefordert. Ruggiero hat nie zugegeben, Sanwa getoetet zu haben. Er sagte vielmehr, er habe "Scherereien" befuerchtet und dass man ihm, mit einem "blinden Passagier" an Bord, das Fischerboot beschlagnahmt und er drei oder vier Arbeitstage verloren haette. Wird ein Urteil ausreichen, um Herrn Mohamed Ahmed Abdissalam, der aus den USA kam, um seinen Bruder in die Arme zu schliessen und stattdessen Zeuge des Prozesses um seine Ermordung wurde, Frieden zu bringen?

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